Durch die Glasfront dringt wärmendes Sonnenlicht, bringt glatte Oberflächen zum Glänzen und Strahlen, während zahlreiche Menschen durch enge Drehtüren stürmen, Waren aussuchen und bezahlen, um mit funkelnden Tüten beladen stolz die neuen Güter im Kofferraum des Autos aufzutürmen. Inmitten dieser bunten Flut sitzt Herr Fuchsmund rund gebückt über einem Paar dunkelbrauner Stiefeletten, der Absatz vom vielen Stolzieren fast gänzlich verschwunden, doch für ihn, gar kein Problem, er wird sie aufpäppeln, retten, mit handwerklichem Geschick und Fingerspitzengefühl.
Schuhe könnten so manch Geschichte erzählen, denkt Herr Fuchsmund, und dreht das Paar ins Licht, um genauer zu erkennen, welche Fehler noch auszubessern sind. Seine dicken Brillengläser erinnern ihn daran, dass auch er nicht mehr der Jüngste ist, wie die Zeit doch verfliegt, erst hatte er in Jahren, dann in Jahrzehnten gerechnet, bis er schließlich mit Lächeln und Schulterzucken im Hier und Jetzt verweilt. Langsam hebt Herr Fuchsmund den Blick, hält einen Moment inne und beobachtet schlicht die Geschäfte gegenüber von seinem Laden, die mit schreienden Schildern und Reklametafeln die allerbesten Angebote bewerben.
„Mensch, wie sehr muss man euch doch lieben“, murmelt er zwinkernd den Stiefeletten entgegen, „dort drüben gibt es alles in neu und sollte ich mich nicht verrechnet haben … für weniger als diese Reparatur.“ Herr Fuchsmund wirft die Stirn in Falten, ein Seufzen gleitet durch den Raum, „was mache ich nur?“, fragt er sich selbst, denn außer ihm ist niemand hier. Unter Stöhnen erhebt er sich und schlendert in den hinteren Teil des Geschäfts, setzt Wasser auf in der kleinen Teeküche, wartet geduldig und denkt in der Zwischenzeit darüber nach, wie sich doch vieles verändert hat und das Leben im stetigen Wandel ist, doch war es nicht auch dieser Heraklit, der sagte „du kannst nur einmal in denselben Fluss steigen“? Irgendwie so jedenfalls lautet der Spruch und Herr Fuchsmund hatte sich früher des Öfteren gefragt, was die denn wollen, die alten Griechen, mit ihren Sagen und Mythen, immer um den heißen Brei herum, doch scheinbar begann sich allmählich alles zu fügen.
Das Piepen des Wasserkochers holt ihn zurück in die Gegenwart, Grüner Tee, herrlich, doch war er etwa töricht, davon auszugehen, er könnte mitmischen zwischen den modernen Konzepten von Übermorgen, während er in seinem stickigen Kabuff mehr oder weniger alleine herumwuselte, hoffentlich keinen Schimmel ansetzte und im schlimmsten Fall seine Sorgen den Schuhen erzählte. Vielleicht ist es an der Zeit bald einzupacken, alter Bursche, die Zukunft Zukunft sein zu lassen und festzustellen, dass auch die schillerndsten Momente nur in Gedanken ewig währen, während sie in Wahrheit schleichend verblassen. Naja, die Stiefeletten jedenfalls sollten noch aufgehübscht werden, in Selbstmitleid und Nostalgie konnte er auch noch zu späterer Stunde versinken, also reißt Herr Fuchsmund sich vorerst zusammen und beginnt mit automatischen Bewegungen das Leder zu bearbeiten. Er ist schon ganz vertieft und summt eine unbestimmte Melodie, da läutet das Glöckchen über der Eingangstür, welches ihm verrät, jemand hatte den Weg zu ihm gefunden. „Guten Tag“, sagt eine junge Frau, lächelt schief und legt einen Beutel auf den Tresen, „meine Lieblingsschuhe bräuchten etwas Hilfe“, ein wenig Bange spiegelt sich in ihren haselnussbraunen Augen. Herr Fuchsmund begutachtet das Sorgenkind, freut sich innerlich und meint, das sei doch keine Schwierigkeit, spätestens Freitag, also pünktlich zum Wochenende, seien sie wieder abholbereit. Über den Tresen hinweg ist eine Art Funke zu spüren, zwar glauben nur die Wenigsten an die Magie, doch eben dieser besondere Augenblick zeigt den Zauber des Alltags zwischen zwei Fremden, wenn pures Glück aufblitzt. „Vielen Dank, wie wunderbar!“, die Frau strahlt über das ganze Gesicht, „ich bin so froh, dass ich sie gefunden habe und dass es noch Menschen wie sie gibt, mit diesem Geschick! Ich hoffe, sie wollen hier noch lange bleiben, ich hätte da noch das ein oder andere Paar zum Ausbessern im Schrank und unter uns, mein Freund sagt, ich hätte einen Schuh-Tick.“ Herr Fuchsmund jedoch nickt nur stumm, wie schnell sich doch von jetzt auf gleich eine Niedergeschlagenheit umwandeln kann in die Freude auf alles Mögliche, was bald wohl käme.
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